Kultur- Konsumschock… im Alltag alles a bisserl größer… Poway, 21.06.2013
Stell` dir vor, du kommst aus einem kleinen Dorf, welches in den sanften, geschwungenen Hügeln eines kleinen Staates im kleinen Europa liegt. Stell` dir vor, dass deine bisherigen Autos, die du sorgfältig ausgesucht und bezahlt hattest, aus einem Citrön AX mit 3 Türen und mit umklappbaren Fahrer- sowie Beifahrersitz (damit auch hinten wer sitzen konnte), sowie einen Renault Clio, der schon echte 5 Türen besaß und somit schon luxuriös gegenüber dem AX war, bestanden. Und noch was, stell´ dir vor… stell` dir vor, dass du die letzten 7 Monate nur eine geringe Anzahl von Dingen– im Vergleich zum echten Leben – dein Eigentum nennen konntest. Stell` dir daher vor, dass du seit 7 Monaten mit wenig Habe durch Länder gereist bist, in denen du doch ab und zu mehr hattest als dein Gegenüber am Straßenrand, als die Standfrau, als das „Armbandverkaufsmädl“, als der Tankwart mit zerissenen Hose… du weißt, die Liste könnte unendlich lang sein, denn du kannst dir gut vorstellen, dass du seit 7 Monaten durch Ländern, in denen ein Haus auch nur aus einem Raum bestand, in denen ein Haus auch nur aus Brettern oder Plastiksäcken bestand, in denen Dienstleistungen wie Wäschewaschen um 2 Euro erledigt wurden, gereist bist… ja du kannst dir gut vorstellen, wie es war die letzten 7 Monate… Und jetzt, jetzt stell` dir vor, dass du in ein neues Land ankommst,… In einem Land, dass dich mit einer 4 spurigen Autobahn durch eine Metropole wie San Diego führt… manches Mal bist du auf einer Brücke und dann wieder sind 2 Brücken als Kreuzung über dir… Stell` dir vor, dass du dich am Motorrad festhalten musst, um nicht bei diesem Anblick der unzähligen Chevroletts, Jeeps, Dodges, oder den riesigen Harleys – oft mit Anhänger, der Goldwings, die vorne mit 2 Rädern ausgestattet sind, den Autobussen, die als Campingwagen dienen und zusätzlich noch einen Gebrauchsauto für den Alltag hinterher ziehen, den LKWS, die 3 LKW-Zugmaschinen hinter sich her schleppen vom Motorrad zu fallen … alles ist überdimensional groß, überdimensional teuer und überdimensional neu und zieht an dir vorbei. Auch die Dokumentationen über die wachsende Armut in den USA, die du zu Hause im Fernsehen noch gesehen hattest, ziehen an dir vorbei und du kannst sie im ersten Moment nicht bestätigen. Nun, und irgendwann ist auch die erste Fahrt, auf der du konfrontiert wirst mit Meilenangaben und ständig beim Umrechnen bist – ob Geschwindigkeiten oder Entfernungen, alles muss du im Kopf umrechnen - vorbei. Der erste Anblick und der erste Einblick in ein Land gehen zu Ende und der nächste Morgen bringt wieder Geheimnisse hervor, wobei du feststellst, dass du, nach dem vielen Spanisch, auch noch die Englische Sprache beherrscht, wobei immer wieder spanische Wörter sich mitmischen. Die Leute, die dir begegnen sind alle sehr nett und sehr hilfsbereit… ein „Hi“, „Hello“ oder „Good morning, how are you doing?“ geht allen einfach locker über die Lippen und wird noch mit einem Lächeln belohnt. Der Dollar fließt in Strömen und die Visakarte wird gezückt, doch in einige Geheimnisse musst du erst eingewiesen werden, sowie in das Geheimnis des Wäschewaschens.
Stell` dir vor, deine „7 Zwetschken“ – sprich deine Wäsche – drängen wieder darauf, gereinigt zu werden. Du hast zuvor schon einige Waschsalons gesehen und begibst dich in einer Stadt namens Poway zu einem solchen „Laundry“. Stell` dir vor, die Hauptstraße von Poway – eine kleine Stadt in der Nähe von San Diego – ist 4 spurig (2 Spuren nach Osten, 2 nach Westen) und diese Spuren sind voll mit Autos, dafür schlenderst du ganz alleine in dieser Stadt auf den Gehsteigen herum. Kein anderer Mensch hat das Bedürfnis zu gehen… die Gehsteige gehören dir… die anderen fahren, ob nur bis zur nächsten Ecke oder nur zum 500m entfernten Frisiersalon, diese Frage stellst du dir gar nicht… Ja, stell` dir vor, du findest einen dieser berühmten Waschsalons. Du stellst dir vor, dass es so ist, wie es die Spira seinerzeit in ihren „Alltagsg`schichten“ filmte. Menschen, die gemeinsam auf ihre Wäsche warten… und dann kommst du an, gehst hinein und bist alleine mit 30 Waschmaschinen und 15 Trockner. Du siehst zwei Geldautomaten – einen der Scheine in Münzen wechselt, den diese großen Maschinen werden nur mit „QuarterDollars“ gespeist - und einen, der beim Einwurf von 4 Münzen eine Packung Waschmittel für einen Waschgang ausspuckt. Nun stell` dir vor, es ist niemand da, den du fragen könntest, daher steckst du gleich mal einen 5 Dollarschein rein und kriegst 20 Münzen raus. 4 davon für das Waschmittel und 8 für die Waschmaschine… alles rein damit und Deckel zu und dann drückst du den On-Knopf. Nach wie vor bist du alleine, aber der Parkplatz füllt sich wieder mit diesen riesigen Pickups und Autos. Ein BMW gehört da schon zu den kleineren Fahrzeugen… Während die Waschmaschine läuft, gehst du einen Sprung in den Supermarkt, um eine „Kleinigkeit“ einzukaufen. Die überdimensionalen Einkaufswagen, die mindestens 1/3 größer sind, als du es gewohnt bist, erwarten dich schon im Eingang, wobei auch kleine einsitzige Golfwagen ohne Dach, für jene, die einfach schwer gehen, bereitstehen. Du denkst, wie freundlich der Laden gegenüber von Pensionisten und Behinderten ist. Und gleich darauf triffst du im ersten Regal schon auf ein Golfwagen und im wahrsten Sinn des Wortes: diese Person tut sich „schwer“ beim Gehen… mit diesem ordentlichen Gewicht geht man wirklich „schwer“ und dies leuchtet dir auch ein…
Stell` dir vor, du befindest dich auf einem Fußballfeld und die gesamte Fläche ist ein Lebensmittelgeschäft, wobei sich die Waren in keinem weiterem Regal wiederholen… also, wenn du da auch nur deine „Kleinigkeit“ sofort findest, bist du echt gut… du willst doch nur eine Flasche Wasser… Es dauert 20 Minuten bis du deine Flasche Wasser gefunden hast und weitere 15 Minuten, bis du dich von diesen überdimensionalem Warenüberschuss sattgesehen hast - denn du kannst es dir vorstellen: „Wer die Wahl hat, hat die Qual!“ Bei der Kassa die nächste Überraschung... alle Preise der Waren sind in den Regalen mit den Nettobetrag angegeben... also zahlst du immer mehr, als du glaubtest... Auch in Restaurants erblickst du die Nettopreise neben den Speisen in der Karte, so dass das Endergebnis immer anders aussieht.
Du denkst auch an die Situation an der Tankstelle – die letzten 7 Monate wurdest du bedient, nun musst du vorher deinen benötigten Benzin bezahlen und selber zapfen, wobei du anfangs nicht sicher bist, wie viel du denn nun benötigst… 10, 15, 20 Dollar? Sind wie viel Gallonen? Sind wie viel Liter? Und wie viel sind noch im Tank? Wenn du zu viel bezahlt hast, drehst du deine Zusatzkanister auf und gibst den Rest hinein… du brauchst ja eh immer Benzin für deinen Benzinkocher…
Zurück zu deinem Waschsalon und deiner frisch geschleuderten Wäsche, die du in den Trockner steckst, der nochmals 4 Münzen schluckt und dann zum Schleudern beginnt. Mittlerweile haben sich auch weitere Personen sich durchgerungen ihre Wäsche zu waschen. Einer verbringt die Wartezeit damit sein mitgebrachtes McDonaldsmenu zu verspeisen… die Hauptnahrungsmittelquelle vieler Amerikaner… und so beißt er in seinen überdimensionalen BigMAC, wobei er alles so gut managen kann, dass nicht ein Tropfen auf Finger oder Mundwinkel, geschweige denn Hose oder T-shirt trifft… ein geübter Kenner der Materie.
Die Wäsche ist fertig und du begibst dich wieder alleine auf den Gehsteigen zu deinem 500m entfernten Quartier und denkst an deine kleine und überschaubare Welt zu Hause…
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